Die Sorge um mögliche gesundheitliche Schäden der Bevölkerung in den Grazer Schienenstraßen, hervorgerufen durch Erschütterungen und Schallimmissionen nach Inbetriebnahme einer neuen Straßenbahn 2010 bewogen den Bürgermeister 2013, die Erstellung eines entsprechendes Fachgutachtens zu fordern.
Das 2015 präsentierte Flesch-Gutachten bestätigt die „….höheren Erschütterungsemissionen durch die Variobahn….“ (Zitat: Flesch-Gutachten Kap. 3.2.3.1), kommt andererseits aber zum Schluss, dass „….die Erschütterungs- und Sekundärschall-Immissionen……… dem Stand der Technik unter Berücksichtigung der Sicherheit und Ordnung des Betriebs der Eisenbahn,……. entsprechen“ (Zitat: Flesch-Gutachten, Zusammenfassung S. 91).
Es darf gefragt werden: wie konnte ein Fahrzeug die eisenbahnrechtliche Zulassung erlangen, auch wenn es messbar schlechtere Immissionswerte produziert als die alten Bestandsfahrzeuge? Entspricht es dem Stand der Technik oder nicht?
Die Ursache für dieses Dilemma liegt darin, dass Straßenbahnen in umweltrelevanten Punkten derselben Zulassungsverordnung zum Eisenbahngesetz unterliegen wie Eisenbahnzüge selbst, und dass diese Verordnung die spezifischen Eigenheiten einer Straßenbahn ignoriert.
Deshalb möge der Gemeinderat eine Petition an den Bundesverkehrsminister beschließen und empfehlen:
- Straßenbahnen bezüglich der Luftschallemissionen ein eigenes Regelwerk zu verordnen, um damit sicherzustellen, dass diese Fahrzeuge auch wirklich dem Stand der Technik entsprechen
Die derzeit für Straßenbahnen erlassene Zulassungsverordnung z.B. jene betreffend Lärmemissionen, stehen im Widerspruch zum Eisenbahngesetz ( EisbG 1957 i.d.g.F.)
So fordert das EisbG für neu zugelassene Schienenfahrzeuge zwar den „Stand derTechnik“ in sehr strenger und sinnvoller Weise, (siehe folgenden Gesetzesauszug).
Die auf diesem Gesetz fußende Schienenfahrzeug-Lärmzulässigkeitsverordnung–SchLV bezieht sich gleichlautend auf Eisenbahn-Triebwagen, als auch auf Straßenbahnen.
Das geht wegen der andersartigen Einsatzprofile der beiden Fahrzeugarten total am Thema vorbei, denn:
Eisenbahn-Triebwagen brausen fallweise mit Geschwindigkeiten von mehr als 120 km/h von Bahnstation zu Bahnstation während Straßenbahnen, bis auf ganz wenige Ausnahmen die Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nicht überschreiten dürfen, oftmals ganz knapp an Wohnhäusern vorbeifahren, enge Kurvenradien, Zonen mit Geschwindigkeiten von unter 30 km/h und viele Stops bewältigen müssen. Straßenbahnen fahren auch nur selten auf einem schwingungsdämpfenden Schotterbett, wie dies bei Triebwagengeleisen im Allgemeinen der Fall ist. Triebwagen haben erprobte Drehgestellfahrwerke mit großer Einstiegshöhe, während Straßenbahnen in Niederflurbauweise mit gänzlich anderen Fahrwerksbauarten ausgestattet sein müssen.
[ Zitat] EisbG § 9b: Der Stand der Technik im Sinne dieses Bundesgesetzes ist der auf den einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Entwicklungsstand fortschrittlicher technologischer Verfahren, Einrichtungen, Bau- und Betriebsweisen, deren Funktionstüchtigkeit erwiesen und erprobt ist. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere vergleichbare Verfahren, Einrichtungen, Bau- oder Betriebsweisen heranzuziehen und die Verhältnismäßigkeit zwischen dem Aufwand für die nach der vorgesehenen Betriebsform erforderlichen technischen Maßnahmen und dem dadurch bewirkten Nutzen für die jeweils zu schützenden Interessen zu berücksichtigen. [Zitat Ende]
- Ein Regelwerk zur Begrenzung von Erschütterungsemissionen bei Straßenbahnen einzufordern
Vorschriften zur Begrenzung von Erschütterungen gibt es beim Zulassungsverfahren für Straßenbahnen noch nicht! Es mag nun Gründe geben, dass diese bei Reisezug-Triebwagen nicht opportun sind, bei Straßenbahnzügen, die sich nahezu im Minutentakt knapp vor den Wohnhäusern bewegen und diese fallweise grob erschüttern ist dies ein unverständliches Manko im Zulassungsverfahren.
Diese Erschütterungen sind in den schienennahen Häusern fühlbar, messtechnisch nachweisbar und führen bei vielen Anrainern in der Nachtzeit zu schreckhaftem Aufwachen. Von Umweltmedizinern werden diese Beeinträchtigungen durchwegs als „Belästigung“ eingestuft, fallweise auch als Gesundheitsgefährdung.
Außerdem führen diese Schwingungsübertragungen auf die Wände, Decken und Böden der Anrainerhäuser zu sogenanntem „Sekundärschall“. Bildlich dargestellt: Es werden die vibrierenden Wände, Decken und Böden zu „Lautsprechermenbranen“. Die dabei erzeugten tiefen Frequenzen ähneln jenen von Baßtönen von Discomusik, deren psychologisch-gesundheitliche Wirkung auf Schlafende als besonders negativ bewertet wird (siehe dazu Begrenzungen in der Deutschen Gesetzgebung)
Die Auswirkungen der von den Straßenbahnen verursachten Schwingungsemissionen auf die nahen Wohnhäuser werden auch vom Schienenzustand, dem Einbau der Schienen im Untergrund, der Beschaffenheit des umgebenden Erdmaterials, der Bauweise des betroffenen Hauses usw. mit beeinflusst. Daher ergibt eine Schwingungsmessung in einem Wohnhaus noch kein objektives Maß für einen Absolutwert einer Straßenbahn-Schwingungsemission.
Es ist aber sehr wohl eine aussagekräftige Beurteilung einer Straßenbahn-Schwingungsemission durch eine Vergleichsmessung durch einen Sensor an der Straßenbahnschiene zwischen einem Bestandsfahrzeug und einer neu zuzulassenden Straßenbahn möglich, da beide Fahrzeuge die gleichen Umgebungsbedingungen haben.
Vom Gesetzgeber ist daher eine entsprechende Verordnung einzufordern, die durch Vergleichsmessung sicherstellt, dass ein neu zuzulassendes Straßenbahnfahrzeug eine um 3 dB geringere Schwingungsemission aufweist als das Bestandsfahrzeug.
Dadurch wäre der Beweis zu erbringen, dass das neu zuzulassende Straßenbahnfahrzeug den Gesetzestext des EisbG § 9b dem [Zitat] „…..Stand der Technik im Sinne dieses Bundesgesetzes ist der auf den einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Entwicklungsstand fortschrittlicher technologischer Verfahren, Einrichtungen, Bau- und Betriebsweisen, deren Funktionstüchtigkeit erwiesen und erprobt ist.“ [Zitat Ende] erfüllt.
(Anmerkung: Altrnativ ist auch eine Vergleichsmessung anzudenken, bei der die Sensoren in einer in den schienenahen, in den Straßenuntergrund eingetriebenen Rammsonde verbaut werden.)
- In einer Verordnung festzulegen, dass die für Traminsassen beim Fahrbetrieb auftretenden relevanten Beschleunigungsstöße begrenzt werden; – als sicherheitsrelevante Forderung
In stark besetzten Straßenbahnfahrzeugen steht der überwiegende Anteil der Fahrgäste. Ältere und behinderte Personen können sowohl durch ruckartige Beschleunigungen oder Verzögerungen sehr leicht das Gleichgewicht verlieren, (- speziell wenn sie nur ungünstig erreichbare Haltegriffe erlangen können) oder wenn sie mit einer Hand an Fahrkartenautomaten, oder Ausstiegs-Anforderungsknöpfen hantieren müssen oder durch das Tragen von Gepäckstücken beeinträchtigt werden.
Diese Beschleunigungs- oder Bremsstöße können heute nach dem Stand der Technik durch elektronische Einflussnahme auf das Antriebs- bzw. Bremsverhalten der Fahrzeuge gut und auch einfach verhindert werden (wie das auch in der Automobiltechnik der Fall ist).
Also ist auch hier eine Anpassung einer diesbezüglichen Verordnungen erforderlich, nicht zuletzt auch um den § 9b des EisbG zu erfüllen.